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In Jacmel an der Südküste Haitis feiern die Haitianer seit mehr als drei Jahrhunderten einen riesigen Straßenkarneval. Es ist der Karneval der Geister, bei dem mitten im ausgelassenen Treiben der Toten gedacht wird. Ob als schaurige Kreaturen, Teufel oder Diktatoren verkleidet – bei der Parade ziehen die Kostümierten drei Tage lang durch die Hauptstraßen Jacmels. Die Anthropologin Anne-Sylvie Malbrancke erlebt den Karneval an der Seite von Rony und Elie. Rony will sich diesmal als Chaloska verkleiden – eine Figur, die an den General Charles Oscar Etienne erinnert, der für den Tod Hunderter politischer Gefangener verantwortlich war. Beim Karneval von Jacmel ist er bis heute eine der meistdargestellten Personen. Elie will sich als Bossale verkleiden. Körper und Gesicht wird er dafür mit Schlamm und Ruß bedecken, wie es auch bei den Sklaven der Fall war, die von Afrika nach Haiti verschleppt wurden, um auf dem Land zu arbeiten. Der junge Mann ist stolz auf seine Vorfahren. Die Bossales kämpften erfolgreich für ihre Freiheit. Haiti war die erste schwarze Republik, die im Jahr 1804 ihre Unabhängigkeit erreichte. In dem Land, das zu den ärmsten der Welt gehört und in seiner Vergangenheit von Sklaverei, Diktaturen, Naturkatastrophen und Epidemien heimgesucht wurde, sind die Feierlichkeiten unglaublich ausgelassen. Auf den Karnevalswägen sind Baby Doc und andere Diktatoren des Landes zu sehen, etwa wie sie mit Vater Aids und Erdbebenzombies tanzen. Die Haitianer verschaffen sich Abstand zu ihrer schmerzlichen Vergangenheit, indem sie die Geister der Vergangenheit mit ihren Masken zum Leben erwecken. Der Karneval ist eine Form der Erinnerungsarbeit: Er ermöglicht es den Bewohnern des Landes zurückzublicken und sicherzustellen, dass sich bestimmte Ereignisse nicht wiederholen